SCHULE FRIEDL KUBELKA Fotoschule

BELINDA KAZEEM, EKATERINA SHAPIRO-OBERMAIR
enjoy photography 3

Schule Friedl Kubelka für künstlerische Photographie, Wien
an der PARALLEL VIENNA - Raum 2.58

Alte Post, Dominikanerbastei 11
A - 1010 Wien

Für die jährlich stattfindende Ausstellungsreihe „enjoy photography“ werden Künstler_innen, die an der „Schule Friedl Kubelka für künstlerische Photographie, Wien“ unterrichtet haben und Absolvent_innen zu einer Doppelausstellung eingeladen. Konzeption: Anja Manfredi

Text von Astrid Peterle

Belinda Kazeem und Ekaterina Shapiro-Obermair reflektieren in ihren Installationen die Macht der Bilder bzw. der bildlichen Repräsentation, Themen, deren Brisanz gerade auch vor dem Hintergrund aktueller politischer Ereignisse wieder verstärkt diskutiert werden muss. Die beiden Künstlerinnen eint einerseits ein Interesse am kritischen Hinterfragen der Wirkweisen von Repräsentation mittels Objekten, hier im Falle von musealen Ausstellungen. Andererseits widmen sich beide dem Sichtbarmachen sozialer Diskriminierung, hegemonialer Auslassung und Leugnung.

Naming what was once Unnameable bietet Einblick in ein laufendes Projekt Belinda Kazeems, das sich mit den spezifischen Erfahrungen von Schwarzen Frauen und women of color, die im deutschsprachigen Raum aufgewachsen sind, beschäftigt. Durch die Berichte der Frauen, parallele Erfahrungen, aber auch die Diversität des Lebens in der Diaspora zeichnet Kazeem ein Wissen über den Vorgang des zur-Anderen-gemacht-Werdens nach. Die Auseinandersetzung mit schmerzhaften Erinnerungen aus der Kindheit wird durch das Aussprechen, das Benennen zu einem Akt der Selbstermächtigung. Geordnet nach verschiedenen Kategorien der Erfahrung bleiben die Berichte bewusst anonym und brechen mit einer narrativen Struktur, indem alle zeitlichen oder geographischen Hinweise eliminiert wurden. Dadurch liegt die Betonung weniger auf dem Individuum als auf den gesellschaftlichen normativen Gefügen und ihren diskriminierenden Wirkweisen.
Kazeems zweiteilige Arbeit to the man, who became known as Angelo Soliman, (ante mortem) I und (post mortem) II (2015) ist Teil einer neuen Serie exhibited/in rememberance, in der sich Kazeem mit dem Ausstellen von Schwarzen Menschen in Museen etc. im 18. und 19. Jh. beschäftigt. Angelo Soliman ist eine historische Figur der Wiener Geschichte – er wurde im 18. Jh. als Kind aus Afrika verschleppt, versklavt und diente schließlich am Wiener Hof. Nach seinem Tod wurde sein Körper präpariert und im k & k-Hof- und Hofnaturalienkabinett ausgestellt. Requisiten trugen dazu bei, Soliman als „Anderen“ zu markieren. Kazeem reflektiert den musealen Vorgang der Reduzierung des Menschen auf Gegenstände, der unter dem Vorzeichen des vorgeblich objektiven Ausstellens erfolgt. Tatsächlich ist die museale Repräsentation aber immer eine subjektive, die, wie im Falle Solimans, auch eine rassistische Stereotypisierung hervorbringen kann. In Kazeems Installation verstärken die akkurate Anordnung der Objekte auf einer Archivlade und die Anonymität der weißbehandschuhten Person, welche die Lade präsentiert, die kritische Reflexion des musealen Blick(en)s.

Ekaterina Shapiro-Obermairs Video Schaukasten entstand im Frühjahr 2014 im Zentralmuseum der russischen Streitkräfte in Moskau während einer Phase der patriotischen Euphorie innerhalb Russlands anlässlich der Besetzung der Krim. Die Kamera ist auf BesucherInnen des Museums gerichtet, die sich einen Schaukasten zu Konzentrationslagern ansehen. Die patriotisch-ideologische Inszenierung des Museums ist auch hier ersichtlich, da vor allem die sowjetischen Kriegsgefangenen und die Verwendung der Körper für industrielle Zwecke dargestellt werden, nicht aber über die jüdischen Opfer der Shoah gesprochen wird. In den Reaktionen der BetrachterInnen, in der Mehrzahl SchülerInnen, lassen sich sowohl zeitgenössische politische Ideologien widererkennen als auch rudimentäres Wissen über die Geschichte und ein Erkennen der Leerstellen in der musealen Repräsentation.
Moskau, Du bist nicht unsere Hauptstadt aus dem Jahr 2010 bezieht sich auf eine Migrationsbewegung der 1990er-Jahre aus der ehemaligen Sowjetunion, zu der Shapiro-Obermair selbst biografische Verbindungen hat. Die Fotografien zeigen Orte in Deutschland, die – subjektiv – in einer Beziehung zu ausgewanderten Personen stehen, wie z. B. die Landesaufnahmestelle des Freistaates Bayern im Grundig-Gebäude am Reichsparteitaggelände in Nürnberg oder ein russischer Lebensmittelladen in Berlin. Alle Elemente, die beigefügten abstrakten Muster, die abgebildeten Gefäße, die größeren Fotografien sowie der Titel stehen in Relation zueinander und verweisen sowohl auf die Erinnerung als auch auf die Gegenwart. Die zeitliche Ebene der Migration wird mit einem formalen Spiel zwischen Gleichem und Verschiedenem verbunden.
Text: Astrid Peterle


BELINDA KAZEEM, EKATERINA SHAPIRO-OBERMAIR
enjoy photography at the Parallel Vienna

In their installations, Belinda Kazeem and Ekaterina Shapiro-Obermair reflect on the power of images and their visual representations—themes, whose controversial aspects must figure more prominently into the debate, especially in view of current political events. On one hand, both artists share an interest in the critical scrutiny of mechanisms of representation by means of objects, which in this case are museum exhibitions. On the other, they both venture to make social discrimination, hegemonic exclusion and denial more visible.

Naming what was once Unnameable offers insight into an ongoing project by Belinda Kazeem which deals with specific experiences of Black women and women of color who grew up in a German-speaking country. Kazeem traces the experience of being-made-Other by having women tell their stories, processing parallel experiences, and showing the diversity of diasporic life. By way of articulation and identification, this examination of painful childhood memories becomes an act of self-empowerment. Arranged according to different categories of experience, the reports deliberately remain anonymous and break with the narrative structure as the artist eliminates all temporal and geographic references. In this way, the emphasis is less on the individual and more on the socially normative structures and their discriminating effects.
Kazeem’s two-part work, to the man, who became known as Angelo Soliman, (ante mortem) I and (post mortem) II (2015), is part of her new series exhibited/in rememberance, in which the artist examines the eighteenth- and nineteenth-century practice of exhibiting black people in museums and other venues. Angelo Soliman is a historical figure of eighteenth-century Vienna—he was abducted from Africa and enslaved as a child, and ended up serving at the Viennese Court. After his death, his body was flayed, stuffed and exhibited at the Hofnaturalienkabinett of the Imperial and Royal Court, where a number of props added to the presentation of Soliman as “Other.” Kazeem reflects this museological process of reducing human beings to objects under the pretense of objective exhibition. In fact, representation in museums is always subjective, which, as in Soliman’s case, is prone to generating racist stereotypes. In Kazeem’s installation, the accurate arrangement of objects on an archival drawer and the anonymity of the white-gloved person presenting the drawer reinforce the artist’s critical reflection on museological gaze and viewing.

Ekaterina Shapiro-Obermair’s video Schaukasten (Display Case) was produced in spring 2014 at the Central Armed Forces Museum in Moscow, Russia, during a stint of patriotic Russian euphoria on the occasion of the annexation of Crimea. The camera is pointed at the museum visitors viewing a display case about concentration camps. The patriotic-ideological staging of the museum is visible here, as the case displays predominantly Soviet prisoners of war and the use of human bodies for industrial purposes, but fails to mention the Jewish victims of the Shoah. The reactions of the viewers, most of whom are students, indicate contemporary political ideologies as well as a rudimentary grasp of history and recognition of blank spaces in museological representations.
Moskau, Du bist nicht unsere Hauptstadt (Moscow, You Are Not Our Capital) from 2010 refers to a migration in the 1990s out of the former Soviet Union, to which Shapiro-Obermair herself is biographically connected. The photographs show places in Germany that are—subjectively—linked to émigrés, such as, for instance, the Bavarian Reception Facility in the Grunding Building at the Nazi Party Rally Grounds in Nuremberg, or a Russian grocery store in Berlin. All elements, the added abstract patterns, the depicted containers, the larger-format photographs, and the title are related to one another and refer both to memory and the present. The temporal level of migration is linked to a formal interplay of Same and Sundry.
Text: Astrid Peterle
Übersetzung: Georg Bauer

Dienstag, 22. September 18:00 - 22:00 OPENING
Dominikanerbastei 11 – 1010 Vienna

Mittwoch, 12:00 - 18:00
Donnerstag, 12:00 - 18:00
Freitag, 12:00 - 18:00
Samstag, 12:00 - 18:00
Sonntag, 12:00 - 18:00